Was können wir gegen digitalen Stress in der Freizeit tun?
Nicht nur in der Arbeit, auch in der Freizeit wird Alex zunehmend mit digitalen Stressoren konfrontiert. Gerade weil Stress langfristige gesundheitliche Folgen haben kann, möchte Alex diesen auch in seinem Medienalltag reduzieren. Am Arbeitsplatz hat Alex durch die Vorgaben zur Nutzung bestimmter Technologien und die Kommunikationskultur weniger Spielraum als im privaten Alltag. In unserem Beispiel kann jedoch Alex in derFreizeit freier entscheiden, welche Geräte und Anwendungen dort benutzt werden, auch wenn hier soziale Nutzungserwartungen und der Druck des Umfelds dabei einschränken. Auch kann Alex selbstbestimmt die eigenen Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Geräten schulen und so digitalen Stress reduzieren.
Das Teilprojekt A02, hat sich in seiner Studie nicht nur damit beschäftigt, was uns in der Freizeit stresst, sondern auch erforscht, was wir gegen diese Stressoren tun können. Gemeinsam mit den Teilnehmer*innen wurden verschiedene technische, wie auch nicht-technische Strategien diskutiert und zwei Wochen getestet. Hier zeigte sich, dass das Ausprobieren der verschiedenen Bewältigungsstrategien einen positiven Einfluss auf das Stressempfinden der Studieneilnehmer*innen hatte, auch wenn nicht alle Strategien selbst positiv bewertet wurden.
Technische Bewältigungsstrategien: Gut, aber ausbaufähig
Bei den technischen Bewältigungsstrategien sind die Erwartungen im Vorfeld der Nutzung, auch aufgrund der „Versprechen“ der Apps selbst, meist höher als die reale Stressreduzierung nach der Nutzung, insbesondere bei den Tracking- und Blocking-Apps. Tracking-Apps beobachten und analysieren das Nutzungsverhalten und geben den Nutzer*innen ein Feedback über ihre Mediengewohnheiten. So können unbewusste Routinen und stressauslösendes Verhalten aufgezeigt werden. Blocking-Apps dagegen greifen aktiv in die Nutzung ein, indem beispielsweise eine feste Nutzungsdauer für bestimmte Apps im Vorfeld festgelegt oder auch Notifications in selbstgewählten Zeitfenstern blockiert werden. Dient das Aufzeigen des Nutzungsverhalten als Einladung zur Reflexion des eigenen Nutzungsverhaltens, zielen Blocking-Apps auf die Unterstützung eines bewussten Medienhandelns ab. Bemängelt werden im Praxistest bei beiden Strategien Schwächen in der Anwenderfreundlichkeit der Angebote und eine mangelhafte Visualisierung. Besonders bei Blocking-Apps fehlen Erklärungen der Funktionsweise, sodass sich die Nutzer*innen schlicht nicht trauen die Funktionen zu aktivieren. So beschreibt eine Studienteilnehmerin, dass sie nur den „light“-Modus verwendet hat, da sie Angst hatte, sonst im Notfall nicht mehr telefonieren zu können. Tracking-Apps wiederum, die teilweise die Nutzerdaten nicht lange genug abspeichern, um Regelmäßigkeiten zu erkennen und auch den Erfolg von Maßnahmen aufzuzeigen, sorgen bei den Teilnehmer*innen für Frust. So können die Apps im schlimmsten Fall selbst Stress auslösen. Reward-Apps hingegen stellten sich in der Studie als Überraschung heraus: viele der Studienteilnehmer*innen standen den Apps kritisch gegenüber, waren aber nach den zwei Testwochen überzeugt. Bei Nichtnutzung des Handys wuchs in einem digitalem Aquarium in der App beispielsweise ein Fisch mit abnehmender Nutzung des Handys an. So konnte gerade in Lernphasen die Zeiten der Ablenkung durch das Smartphone deutlich reduziert werden. Auch zeigte eine Studienteilnehmerin stolz ihre gezüchteten Fische. Neben Apps, die spezifisch zur Reduzierung von Stress entwickelt wurden, können auch andere Anwendungen im Umgang mit digitalem Stress in der Freizeit helfen. In der Studie wurden ergänzend Meditations- und Sportapps getestet, um das Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse zu schärfen oder körperlich aktive Phasen der Mediennutzung in den Alltag einzubetten. Die Bewertung der zur Auswahl stehenden Meditations- und Sportapps fiel bei den Teilnehmer*innen nach den zwei Wochen positiver aus als zu Beginn erwartet. Besonders die Personen, die offen an die Nutzung gegangen sind und sich auf das Angebot eingelassen haben, profitierten von deren Nutzung. Zusammenfassend zeigen die Studienergebnisse, dass technische Bewältigungsstrategien grundsätzlich als hilfreich bewertet wurden, es aber noch Spielraum gibt, um diese nutzerorientiert und attraktiver zu gestalten.
Nicht-technische Bewältigungsstrategien: Offenheit ist gefragt
Mehr auf der Hand liegt natürlich der Versuch digitalen Stress analog zu reduzieren. Dazu wurden in der Studie auch nicht-technische Strategien angeboten, die vor dem Test auch deutlich besser bewertet wurden als die technisch-gestützten Alternativen. So profitierten Teilnehmer*innen, die diesen Optionen offen gegenüberstanden, von Digital Detox, aktiven Zeiten ohne Medien oder dem Führen eines Selbstaffirmationstagebuchs. Insbesondere letzteres kam bei den Betroffenen gut an, da der Zeitaufwand mit fünf Minuten gering ist, die Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Erfolgen aber langfristig positive Folgen zeigt. So kann ein solches Tagebuch eine intensive Selbstreflexion auslösen, die dann einen bewussteren Umgang mit der eigenen Zeit und der Reduzierung von Stressoren fördert. Ähnlich wird dies auch bei den aktiven Zeiten ohne Medien deutlich: der Spaziergang an der frischen Luft wird ohne die Unterbrechung durch Nachrichten oder E-Mails als deutlich entspannender wahrgenommen. Digital Detox, also der mehrtägige Verzicht auf alle Mediengeräte, zeigt den Studienteilnehmer*innen besonders deutlich auf, welche Medienroutinen sie sich angeeignet haben, die eher digitalen Stress auslösen, und ermöglichen es, diese langfristig aufzubrechen. So wurde beispielsweise einer Teilnehmer*in während des Digital Detox bewusst, wie sich ihre Schlafqualität verbessert, wenn Sie vor dem Einschlafen ein Buch liest und nicht noch im Internet surft. Auch bei den nicht-digitalen Bewältigungsstrategien ist es wichtig, dass die Strategie für die jeweilige Person und deren Stressoren geeignet ist und die Strategie frei gewählt wird, denn keiner hält sich an spezifische Medienzeiten oder macht einen Digital Detox, wenn er es nicht von sich aus möchte. Zwei zentrale Faktoren, damit eine Bewältigungsstrategie greifen kann, liegen bei den Nutzer*innen selbst: Selbstreflexion und Aufgeschlossenheit, im Sinne einer positiven Einstellung gegenüber der gewählten Copingstrategie, sind wichtig für die Stressreduktion und das Erlernen eines besseren Umgangs mit Stress. Und natürlich kann es ein paar Versuche benötigen, bis man die für einen selbst passende Strategie gefunden hat. Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Sowohl technische als auch nicht-technische Bewältigungsstrategien können bei der Reduktion von digitalem Stress in der Freizeit helfen.
- Welche Bewältigungsstrategie die passende ist, ist abhängig vom Stressor, der Situation und den persönlichen Einstellungen und Bedürfnissen.
- Damit eine Bewältigungsstrategie wirkungsvoll ist, sind Selbstreflexion und Aufgeschlossenheit seitens der Nutzer*innen zentral.
Autorin: Theresa Aumüller