Wie können Unternehmen und das soziale Umfeld bei der Bewältigung von digitalem Stress helfen?
In der modernen Arbeitswelt spielt die Nutzung digitaler Technologien eine immer größere Rolle. Der ständige Informationsfluss und die wachsende Arbeitslast können jedoch dazu beitragen, dass Mitarbeiter*innen an digitalen Stresssymptomen erkranken. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Unternehmen und das soziale Umfeld Maßnahmen ergreifen, um digitalem Stress entgegenzuwirken und ein gesundes Arbeits- und Lebensumfeld zu schaffen. Dabei können verschiedene Ansätze verfolgt werden, um sowohl die individuelle als auch die kollektive Bewältigung von digitalem Stress zu fördern. Das Querschnittsthema Q5 im Forschungsverbund ForDigitHealth hat einige mögliche Strategien und Maßnahmen entwickelt, die dazu beitragen können, digitalem Stress entgegenzuwirken und das Wohlbefinden von Arbeitnehmer*innen und der Gesellschaft insgesamt zu fördern.
Schritt 1: Slow down and take a break – mentale Impulse
Pausen als wertvolle Zeit etablieren: In der heutigen Leistungsgesellschaft hat die Pause ein negatives Image und wird oft als unproduktiv und leistungsschwach bewertet, weshalb sich viele Arbeitnehmer*innen gar keine Pausen mehr einräumen. Auf Dauer führt dieses Verhalten dazu, dass Kreativität und Effektivität sinken. Ein kulturelles Re-Branding der Pause kann an dieser Stelle sinnvoll sein. Das bedeutet, dass die Unternehmenskultur Pausen als wertvolle Zeit etabliert, in denen das betreffende Individuum neue Energie und Kreativität tanken kann und so insgesamt mehr zum Projekt- oder Unternehmenserfolg beiträgt. Dies gelingt beispielsweise durch eine klare Kommunikation der Erwartungen hinsichtlich der Responsivität auf Anfragen außerhalb der Arbeitszeiten, und auch durch das Schaffen eines Bewusstseins dafür, das Kollegen die Pausenzeiten respektieren.
Auch in anderen sozialen Umfeldern, wie innerhalb der Familie, kann es wichtig sein, sich gegenseitig kleine Pausen zuzugestehen, entweder in Form von „Me-Time“ für bestimmte Familienmitglieder oder als gemeinsame Pause, in der man gemeinsam entspannt die Ressourcen wieder auflädt.
Schritt 2: Kommunikation ist der Schlüssel zum Verständnis – Impulse zum gegenseitigen Umgang
Kommunikationsmöglichkeiten schaffen: Kommunikation kann in einer Stresssituation ein wichtiges Ventil sein. Das betrifft auch Gespräche im eigenen sozialen Umfeld, zum Beispiel darüber, warum man sich gerade digital gestresst fühlt oder was man sich als Veränderung wünschen würde. Im gemeinsamen Austausch gelingt es oft, die Situation aus einem anderen Blickwinkel zu sehen oder sich auch bewusst positive Fokuspunkte zu schaffen, wie Erfolge oder Glücksmomente.
Auch im beruflichen Umfeld kann Kommunikation helfen: Sowohl unter Kollegen für die einfache Erkenntnis „ich bin nicht alleine in dieser Situation“ und eventuell gute Interventionsstrategien als auch mit den Vorgesetzten, die dabei unterstützen können Aufgaben zu priorisieren und Freiräume für Stressintervention zu schaffen. Dies verlangt allerdings viel Vertrauen in das berufliche Umfeld und ist besonders in der ortsverteilten Zusammenarbeit wichtig.
Etablierung von Kommunikationsmöglichkeiten außerhalb digitaler Technologien: Im Arbeitsumfeld können Führungskräfte in ihren Abteilungen bewusst Räume für informelle analoge Kommunikation schaffen. Das können zum Beispiel eine Kaffeeecke oder der Kickertisch sein, wo Mitarbeiter*innen untereinander ins Gespräch kommen und so auch Stresssituationen abgebaut werden können. Bewusst vom Bildschirm wegzukommen kann digitalen Stress reduzieren. Der informelle Austausch zwischen Kolleg*innen stärkt zusätzlich auch die soziale Bindung und schafft damit Ressourcen für die gemeinsame Bewältigung von digitalem Stress.
Trennung von privaten und beruflichen Geräten / Kommunikation: Eine strikte Trennung von Arbeits- und Privatleben kann dabei helfen, außerhalb der Arbeitszeit besser abzuschalten und neue Energie zu tanken. Das bezieht sich auch auf die Trennung von Dienst- und Privatgeräten, sodass arbeitsbezogene Anfragen nicht in das Privatleben eindringen. Wem das zu viele Technologien sind und wer damit nicht gut zurechtkommt, der sollte zumindest darauf achten, dass Privatsphäreeinstellungen an Messenger-Diensten und E-Mail-Programmen dafür sorgen, dass man zuhause nicht gestört wird. Dazu kann es auch sinnvoll sein, einen „Notfallkanal“ für sensible Aufgaben einzurichten, wie beispielsweise die Betreuung von Servern. Die Idee dahinter ist, dass so lange nichts über diesen Kanal reinkommt, die Anfragen bis zum nächsten Arbeitstag warten können und nicht ständig alle Arbeitskanäle überprüft werden müssen.
Etablierung von Kommunikationsregeln: Es kann in jedem sozialem Umfeld hilfreich sein, gemeinsame Kommunikationsregeln festzulegen. Dies beinhaltet zum Beispiel, welches Kommunikationstool für welche Anfrage geeignet ist, dass Direktnachrichten nicht Direktantworten bedeuten und dass gewisse Umgangsformen bezüglich Ansprache und Respekt für den (Arbeits-)Rhythmus des anderen beachtet werden. Im betrieblichen Umfeld kann es zusätzlich hilfreich sein, eher ein Pull-not-Push-Prinzip zu etablieren, also gute Infrastrukturen aufzubauen, wo sich Individuen gezielt Informationen aktiv beschaffen können, statt diese über Massenmails an alle zu kommunizieren.
Auch im privaten Umfeld kann es sinnvoll sein, feste Regeln für die Technologienutzung zu etablieren, die genug Raum für Kommunikation und Interaktion außerhalb digitaler Technologien schaffen. Beispielsweise kann vereinbart werden, dass während des Essens alle Geräte ausgeschaltet sind oder, dass keine digitalen Geräte mit ins Schlafzimmer genommen werden. Ein „Handy-Parkplatz“ an einem festen Ort, kann bei solchen Regeln unterstützen. Besonders Kinder und Jugendliche brauchen solche Regeln, um einen gesunden Umgang mit Technologien zu lernen und digitalem Stress vorzubeugen.
Schritt 3: Workshops – Weiterbildung und Schulungen
Schulungen im Bereich Stress und Selbstschutz: Sowohl Schulungen, um Technologie- und Medienkompetenzen aufzubauen, aber auch Workshops, die bei dem Umgang mit (digitalen) Stress unterstützen (z.B. zu Bewältigungsstrategien, oder Resilienz-Schulungen) helfen, langfristig besser mit der Belastung umzugehen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn sich Personen im Umgang mit digitalen Technologien unsicher fühlen.
Unternehmen sollten das Thema „digitaler Stress“ daher expliziter in ihr betriebliches Gesundheitsmanagement aufnehmen und gezielt Schulungen dafür anbieten, wie Führungskräfte, Infrastrukturen und Freiräume für Stressreduktion geschaffen werden können. Diese Schulungen sollten einmal präventiv dafür sorgen, dass zum Beispiel stressreduzierende Features bei E-Mail-Programmen oder anderen Tools gekannt und genutzt werden, aber auch reaktiv Strategien an die Hand geben, wie mit erlebtem Stress besser umgegangen werden kann.
Autorin: Jasmin Rother