Wie helfen sich Menschen gegenseitig bei digitalem Stress in Online-Foren?
Die zunehmende Nutzung von digitalen Medien und Technologien im Privat- und Arbeitsleben hat den Alltag vieler Menschen maßgeblich verändert. Büroarbeit wird vermehrt im Homeoffice erledigt, ehemals in Präsenz abgehaltene Meetings werden in den digitalen Raum verlagert, zwischenmenschliche Kommunikation wird durch Messenger-Dienste erleichtert. Zuweilen kann die digitale Mediennutzung aber auch Stress auslösen und negative Folgen für die Gesundheit haben. Deshalb sind Coping-Strategien, also Strategien, mit denen Menschen digitalen Stress bewältigen von großer Relevanz. Im Teilprojekt A03 wurde analysiert, wie sich Menschen gegenseitig unterstützen, um digitalen Stress zu bewältigen. Dazu wurden Beiträge in Online-Foren ausgewertet, in denen Betroffene ihre Probleme mit digitalem Stress schildern und gemeinsam Bewältigungsstrategien entwickeln.
Digitale Mediennutzung = digitaler Stress?
Die Nutzung digitaler Medien führt nicht automatisch zu digitalem Stress. Ob tatsächlich Stress wahrgenommen wird, hängt von vielen Faktoren und Kontextbedingungen ab. Wie im Artikel „Welchen Einfluss hatte die Corona-Pandemie auf digitalen Stress?“ dargelegt, kann die Nutzung desselben digitalen Mediums beispielsweise im Berufsleben Stress auslösen, im Privatleben hingegen nicht. Ebenso unterscheiden sich Menschen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, mit digitalem Stress umzugehen und ihn abzubauen. Hilfestellung bei der Stressbewältigung kann auch online in Foren erfolgen, wenn dort Stresserfahrungen, aber auch erfolgreiche Copingstrategien debattiert werden.
Online-Foren als Stütze der Selbsthilfe
Aus der Forschung wissen wir, dass „Social Support“, also die Unterstützung von Menschen, die Hilfe benötigen, durch eine Community auch in Online-Foren geleistet wird. Online-Foren erfreuen sich deshalb großer Beliebtheit bei Internetnutzer*innen, weil der Zugang zu öffentlichen Foren niedrigschwellig ist und die Privatsphäre durch Anonymität gewährleistet bleibt.
Die Rolle von zwischenmenschlicher Kommunikation bei digitalem Stress
Ein zentraler Befund unserer Studie zu Online-Foren ist, dass der beschriebene digitale Stress stark an zwischenmenschliche Konflikte gekoppelt ist, die oft im analogen Raum – z.B. im Büro – ihren Ausgang genommen haben (inwiefern digitaler Stress im Arbeitskontext sogar „ansteckend“ sein kann, lesen Sie hier). Diese zwischenmenschliche Dimension des digitalen Stresses zeigt sich auch daran, dass v.a. die Art und Weise, wie andere Menschen digitale Medien nutzen, Stress verursachen kann. D.h. verschiedene Persönlichkeiten, Mediennutzungsmuster und damit verbunden nicht ausgesprochene Erwartungen prallen im digitalen Raum aufeinander. Beispielsweise ist Alex davon gestresst, dass Waltraud schon seit Stunden trotz mehrfacher Aufforderung nicht auf eine bestimmte Nachricht antwortet, während Waltraud sich von Alex Nachrichten gestresst fühlt, weil sie Alex Anliegen einfach noch nicht klären konnte.
Online-Foren: Sammlung für Coping-Strategien
Die Betroffenen von digitalem Stress können verschiedene Coping-Strategien anwenden, die abhängig von der Art des Problems und dem jeweiligen Kontext sind. Grundsätzlich kann zwischen emotionsorientierten und lösungsorientierten Coping-Strategien unterschieden werden. Zu den emotionsorientierten Coping-Strategien zählt beispielweise schon das Debattieren des eigenen Problems mit der Online-Community, was den Betroffenen das Gefühl vermitteln kann, nicht allein mit dem Problem zu sein. Emotionsorientierte Coping-Strategien zielen i.d.R. stärker darauf, das Problem als solches zu akzeptieren, ihm geringere Bedeutung zuzuschreiben und es damit als weniger belastend wahrzunehmen. Die lösungsorientierten Coping-Strategien hingegen setzen beim konkreten Umgang mit dem Problem an, versuchen es also zu lösen. In den untersuchten Online-Foren werden überwiegend lösungsorientierte Coping-Strategien empfohlen. Bezeichnenderweise setzen die Lösungsvorschläge weniger bei konkreten technischen Problemen an, sondern empfehlen die Lösung der dahinterstehenden zwischenmenschlichen Konflikte. Der prominenteste Lösungsvorschlag ist das Face-to-Face-Gespräch, in dem nicht nur unmittelbar dialogisch, sondern auch mithilfe nonverbaler Signale wie Stimmklang, Körperhaltung, Gestik und Mimik kommuniziert werden kann. Bei der digitalen Kommunikation fällt dieser Aspekt gänzlich weg. Bislang können in der Digitalkommunikation weniger Wahrnehmungskanäle genutzt werden als in der analogen Face-to-Face-Kommunikation, was das Entstehen von Missverständnissen begünstigen und die Lösung von Konflikten erschweren kann.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Ob die Nutzung digitaler Medien zu Stress führt, ist immer vom jeweiligen Nutzungskontext abhängig.
- Digitaler Stress ist oftmals sehr stark mit zwischenmenschlichen Konflikten verbunden. Dabei werden die Mediennutzung und die vermeintlichen Erwartungen anderer Personen als belastend wahrgenommen. Als Lösung werden in Online-Foren oft analoge Face-to-Face-Gespräche empfohlen.
- Online-Foren stellen eine Sammlung für Informationen zu Coping-Strategien dar. Die Coping-Empfehlungen zielen entweder darauf, Stress abzubauen, indem man sich emotional von dem Problem distanziert, oder schlagen Maßnahmen zur tatsächlichen Problemlösung vor. Zur Bewältigung von digitalem Stress werden in Online-Foren in der Regel lösungsorientierte Maßnahmen empfohlen.
Autorin: Jasmin Rother