Kann KI helfen, Stress zu reduzieren?
Ja, das kann sie. Es gibt zum Beispiel bereits viele Apps, die ihre Nutzer*innen bei der Stressreduktion unterstützen, indem sie die eingegebenen Daten, auswerten und Lösungen anbieten, wie etwa Meditations- oder Entspannungsübungen, handyfreie Zeiten oder die Aufforderung zu sportlicher Aktivität. Durch die hohe Lernfähigkeit von KI, gerade im Bereich des Maschinellen Lernens, welches Wissen aus Erfahrung und erlernten Beispielen künstlich generiert, besteht großes Potential, die Stressreduktion für Betroffene weiter zu optimieren. Das Teilprojekt D09 hat sich daher nicht nur der Frage gewidmet, ob KI Stress erkennen kann, sondern auch, ob sie dabei helfen kann, Stress zu reduzieren. Dafür haben sich unsere Forscher*innen ein beispielhaftes Setting überlegt, mit welchem die meisten Menschen mindestens einmal konfrontiert werden, welches für viele aber zu einer der unangenehmsten sozialen Interaktionen überhaupt gehört: Das Jobinterview.
Stressreduktion durch konstruktive Verbesserungsvorschläge
Die Studienteilnehmer*innen wurden hierzu zu einem simulierten Vorstellungsgespräch eingeladen. Ihr Gegenüber war ein KI-Avatar, also eine graphische Simulation einer Person, der zuvor trainiert wurde mit Informationen zu den Merkmalen wichtiger sozialer Kompetenzen, also etwa mit Datensätzen zu Aufnahme und Halten von Blickkontakt, Gestik und Mimik, eigenem Redeanteil sowie dessen Lautstärke und Körperhaltung und -sprache. Während der Interaktion mit dem KI-Avatar nahm dieser das Bewerbungsgespräch auf Video auf und extrahierte das Vorhandensein oder Fehlen jener wichtigen Merkmale und Kompetenzen und ermittelte so zum einen, ob die Bewerber*innen überhaupt Interesse an dem Gespräch zeigten. Zum anderen erstellte der KI-Avatar Videoausschnitte zur weiteren Analyse, falls er einen Mangel an solchen Kriterien feststellen konnten. Diese wurden daraufhin den Studienteilnehmer*innen gezeigt – zusammen mit dem Feedback des KI-Avatars, wie sie sich in bestimmten Situationen während des Gesprächs besser, d.h. interessierter, hätten verhalten können, und so ihre Chancen auf den Erhalt des neuen Jobs hätten erhöhen können. Wenn also Luca während des Vorstellungsgesprächs ruhig und aufrecht ohne verschränkte Arme auf dem Stuhl saß und die Fragen des Avatars mit lauter, fester Stimme beantwortet hat und eigene Aussagen dabei mit entsprechenden Gesten und einer freundlichen Mimik unterstrich, würde der Avatar Luca ein positives Feedback geben. Lucas Kollege Fabi jedoch, der auf seinem Stuhl hin und her gerutscht ist, keinen Blickkontakt mit dem Avatar gesucht hat und seine Antworten vor sich hin nuschelte, hätte von diesem als Feedback erhalten, dass er auf seinen Gesprächspartner unruhig und verschlossen wirken könnte und Hinweise bekommen, wie er sich hätte besser verhalten und interessierter zeigen können. Die vom KI-Avatar zur Analyse herangezogenen Videoausschnitte wären Fabi dabei gezeigt worden, damit er nachvollziehen kann, wie das Feedback zustande kam.
KI-Avatar für das Jobinterviewtraining als positiv und hilfreich bewertet
Die Rückmeldung der Proband*innen war durchweg positiv. Sie bewerteten das Feedback des Avatars als hilfreich und die Veranschaulichung der Analyseergebnisse durch die gezeigten Videoausschnitte führte ihnen unbewusste, stressbedingte Verhaltensweisen vor Augen. Für sein nächstes Vorstellungsgespräch könnte Fabi also auf das Feedback des Avatars zurückgreifen, um so nicht nur seine Chancen im Bewerbungsprozess zu erhöhen, sondern vor allem sein eigenes Stresslevel in dieser Situation verringern. Die Studie veranschaulicht damit nicht nur die enorme Lernfähigkeit von KI, sondern auch, dass die Spezialisierung und Perfektionierung von KI neue Möglichkeiten eröffnet: In der Rolle eines Dialogpartners können sie durch die Gabe von konstruktivem Feedback Betroffenen dabei helfen sich besser auf Situationen vorzubereiten, die situativen Stress erzeugen. Mit der Weiterentwicklung des Avatars zu einem Übungspartner für bestimmte Situationen, wie beispielsweise ein Vorstellungsgespräch, ließe sich die Stressreduktion für viele Menschen noch weiter steigern: Durch die Integration in eine App oder eine andere digitale Anwendung und einen barrierefreien Zugang zu dieser, hätten Nutzer*innen die Möglichkeit, bestimmte stressauslösende oder -steigernde Interaktionen besser zu bewältigen, da durch deren Einübung die eigene Resilienz gefördert werden kann.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Aufgrund der enormen Lernfähigkeit von KI könnte diese auch als digitaler Dialogpartner eingesetzt werden, um stressauslösende Situationen einzuüben und so besser bewältigen zu können.
- Auch wenn in Apps bereits KI zum Einsatz kommt, ist deren Potential bei der Stressbewältigung bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Unser Teilprojekt zeigt beispielhaft, was noch möglich wäre.
Autorin: Theresa Aumüller